11.05.2021
Ein Interview mit Tina Kammer, Co-Founderin und Expertin für nachhaltiges Bauen bei InteriorPark.
Kaldewei und InteriorPark. setzen sich gemeinsam für nachhaltige Produkte und nachhaltiges Bauen ein. Die führende Plattform für nachhaltige Innenarchitektur und kreislauffähiges Design und der Premium-Badhersteller verfolgen ein gemeinsames Ziel: das Eigenheim samt Badezimmer zu einem Ort mit möglichst natürlichen verbauten Materialien statt Plastik zu machen. Im Interview beantwortet Tina Kammer, Architektin und Co-Founderin von InteriorPark, Fragen zu Fortschritten, Herausforderungen und Visionen beim nachhaltigen Bauen.
Frau Kammer, Sie setzen sich als Architektin mit InteriorPark. seit über 30 Jahren für nachhaltige, natürliche Materialien mit hohem Designanspruch ein. Was ist Ihnen bei der Auswahl Ihrer Partner besonders wichtig und wie wird entschieden, ob eine Marke auf Ihrer Website aufgeführt wird?
Kammerer: Bei der Auswahl unserer Partner beleuchten wir verschiedene Aspekte wie die Herkunft der Ressourcen und deren Verarbeitung. Außerdem prüfen wir: Wird mit natürlichen oder recycelten Materialien gearbeitet? Wie kreislauffähig sind die Produkte und wird der Kreislauf auch real geschlossen? Wo und von wem werden die Produkte hergestellt? Wie ist die Produktion umwelttechnisch aufgestellt? Gibt es weitere soziale Aspekte, die das Unternehmen verfolgt? Letztendlich muss ein Unternehmen authentisch und transparent auftreten. Es gibt ganz fantastisch formulierte Marketingtexte, die aber häufig sehr wenig ernsthafte Aussagekraft zur Nachhaltigkeit bieten.
Wieso ist es Ihrer Meinung nach wichtig, bei einem Neubau oder einer Renovierung auf nachhaltige Materialien zu setzen?
Kammerer: Die Bauindustrie ist weltweit für ca. ein Drittel der verbrauchten natürlichen Ressourcen verantwortlich. Insofern besteht hier ein enormes Potenzial. Letztendlich wird es auf Dauer keine andere Alternative geben, als bei der Auswahl auf nachhaltige Aspekte zu setzen, denn den aktuellen Verbrauch können wir uns einfach nicht mehr leisten. Ausgewählte nachhaltige Materialien verbessern in Innenräumen die Raumluftqualität enorm und die Endkonsumenten haben damit einen konkreten Vorteil. Das betrifft im Objektbereich auch Unternehmen und Arbeitgeber, denn in gesunden Räumen fühlen sich die Nutzer/-innen wohler, sind konzentriert und kreativer und werden seltener krank.
Auch im Badezimmer kommt immer noch zu viel Kunststoff zum Einsatz. Häufig stehen Verpackungen für Shampoo, Duschgel, Zahnpasta & Co. dabei im Fokus. Ein weitaus weniger beachtetes Problem sind jedoch die Badlösungen selbst. Welche Materialien belasten die Umwelt und welche würden Sie im Hinblick auf eine nachhaltige und ästhetische Badgestaltung empfehlen?
Kammerer: Das ist pauschal nicht einfach zu beantworten. Besteht beispielsweise eine Badewanne aus einer Sorte rein verarbeitetem Plastik und ist es möglich, sie deshalb in den Kreislauf zurückzuführen, würde dieses Material Sinn machen. Stahl-Emaille ist grundsätzlich kreislauffähig und daher ein nachhaltiges Material. Allerdings muss der Wertstoffkreislauf geschlossen werden, damit dieser positive Aspekt zum Tragen kommt.
Die Verpackungen und Inhaltsstoffe von Pflegemitteln stellen ein großes Problem dar, weil nicht nur die Verpackungen aus Plastik sind, sondern die Produkte selbst oft Mikroplastik enthalten, das mittlerweile an den entferntesten Ecken dieses Planeten, selbst in der Tiefsee, zu finden ist. Der Trend geht bei nachhaltigen Pflegeprodukten hin zu festen Seifen, deren Wirkstoffe ohne Wasser nachhaltig verpackt werden können.
Badlösungen aus Acryl sind nur bedingt kreislauffähig. Daher setzen immer mehr Bauherren und Projektentscheider auf Stahl-Emaille als besonders nachhaltiges Material. Welche Vorteile haben Ihrer Meinung nach Duschen, Badewannen und Waschtische aus Stahl-Emaille?
Kammerer: Badlösungen aus Stahl-Emaille sind von hoher Qualität, sie sind leicht zu reinigen und haben einen langen Lebenszyklus. Das Material kann nach der Nutzung eingeschmolzen und zu einem Badobjekt gleicher Qualität neu verarbeitet werden. Wichtig ist es, den Kreislauf zu schließen und dafür zu sorgen, dass dieser nachhaltige Aspekt auch gelebt wird. Das muss logistisch gewährleistet und im Geschäftsmodell berücksichtigt werden. Die Umsetzung stellt für viele Unternehmen eine große Herausforderung dar.
Wie beurteilen Sie den Willen in der Gesellschaft, gerade im Baubereich stärker auf nachhaltige Lösungen zu setzen? Gibt es einen Trend?
Kammerer: Den gibt es. Definitiv. Aber der Trend verbreitet sich zu langsam. Die Anreize, auch vonseiten der Politik auf nachhaltige Lösungen zu setzen, sind nicht groß genug. Bauherren müssen einen Vorteil haben, wenn sie sich für höhere Anfangsinvestitionen entscheiden, die sich mittelfristig während der Nutzungsdauer amortisieren.
Wie schätzen Sie das Bewusstsein für nachhaltige Badlösungen bei den Konsumenten ein? Haben Sie das Gefühl, dass bereits genug Aufklärungsarbeit in diesem Bereich geleistet wurde?
Kammerer: Für Konsumenten ist es nicht einfach, sich bei jeder Kaufentscheidung intensiv mit den Alternativen auseinanderzusetzen, um dann die richtige Wahl zu treffen. Hier müssen alle Akteure im Markt weiterhin Aufklärung betreiben. Wir helfen Konsumenten gemeinsam mit unseren Partnern dabei, sich im Dschungel der angebotenen Produkte zu orientieren. Nachhaltig und gleichzeitig ästhetisch zu sein funktioniert sehr gut!
Was schreckt Verbraucher Ihrer Meinung nach in Bezug auf nachhaltiges Bauen ab? Und welche Argumente zugunsten nachhaltiger Alternativen sollten Verbraucher bei ihrer Entscheidung berücksichtigen?
Kammerer: Verbraucher bauen meistens für sich und die eigene Familie. Da gibt es für einige Bereiche staatliche Förderungen. Den Effekt nachhaltigen Bauens wird man im Innenraum sehr wohl spüren, weil die Raumluftqualität sich wesentlich verbessert. Alles, was uns umgibt, dünstet aus. Wir sind umgeben von einer Vielzahl an Emissionen, die sich in der Raumluft anreichern. Je geringer und ungiftiger diese ausfallen, desto besser für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit.
Blicken wir 20 Jahre in die Zukunft: Wie stellen Sie sich Gebäude und Einrichtungen hinsichtlich ihrer Bauweise und ihres Designs vor?
Kammerer: Schöne Frage! Wir stellen uns vor, dass Gebäude so gebaut wurden, dass man sie in ihre Einzelteile zerlegen und diese wieder in den Kreislauf bringen kann. Dass ein Gebäude quasi ein Materiallager darstellt. Das Gleiche gilt für Einrichtungsgegenstände. Hier gibt es auch noch den Aspekt, dass wir in Zukunft hoffentlich viele Dinge gar nicht mehr kaufen müssen, sondern die Option haben, sie zu leasen. Das heißt, sie werden gegebenenfalls vom Hersteller gepflegt und gewartet, und wenn sie kaputtgehen oder ihr Lebenszyklus zu Ende ist, führt der Hersteller sie in den Kreislauf zurück und sie werden durch neue Produkte ersetzt.
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