01.03.2021

Beton als Treiber für Ressourcenschonung?

Im Showroom zum Münchner Bürokomplex "Fritz" nutzte CSMM die Gelegenheit, den Rohbau und damit den Beton "pur" in Szene zu setzen. | Fotos: Gleb Polovnykov

Einst galt Beton als Inbegriff der Zurückdrängung der Natur, nun könnte er zum Treiber für ressourcenschonende Sanierungen in der Immobilienwirtschaft werden. Die Bauwirtschaft kann einen entscheidenden Beitrag leisten, wenn sie vorhandenen Beton nutzt. Das Architektur- und Beratungsunternehmen CSMM in München motiviert Unternehmen und Projektentwickler, bereits bestehende Bausubstanz für neue Projekte zu nutzen.

"In der Baupraxis geben Gebäudeplaner leider noch viel zu oft dem Abriss beziehungsweise Ersatzneubau den Vorzug vor dem ökologisch viel sinnvolleren Bestandserhalt mitsamt Sanierung. Dabei liegen insbesondere hier enorme Potenziale für ressourcenschonende Einsparungen und Klimaschutz", erklärt Timo Brehme, geschäftsführender Gesellschafter von CSMM. CSMM-Partner Reiner Nowak führt aus: "Es braucht mehr Aufklärung in Sachen Baurecht, Brandschutz und Wirtschaftlichkeit, damit Eigentümer und Projektentwickler nachhaltiger zwischen Abriss und Sanierung entscheiden können."


In der Tat sind die Zahlen rund um CO2-Ausstoß und Energieverbrauch in der Baubranche alarmierend: Rund 30% direkte und indirekte Emissionen, fast 40% des Energieverbrauchs und sogar 60% des Abfallaufkommens in Deutschland lassen sich auf den Gebäudesektor zurückführen.

Neben baurechtlichen Aspekten und gesetzlichen Anforderungen wie Brandschutz entscheiden sich Entwickler oft aus Kostenaspekten und wegen ungeklärter Fragen nach der Wirtschaftlichkeit verfrüht für einen Abriss und Neubau. Das zeigt laut Timo Brehme eine aktuelle Umfrage der Architects for Future. So verweisen laut der Umfrage zahlreiche befragte Architekten auf fehlende Sachkenntnis bei Bauherren (24%) und Fachplanern (13%): "Insgesamt zeigt sich, dass neben einer oft mangelhaften Grundlagenermittlung bei Bestandsprojekten ein Gewirr aus gesetzlichen Vorgaben und Förderprinzipien zur möglichen Fehlentscheidung für einen Abriss beiträgt", konstatiert Brehme. "In vielen Teilbereichen fehlt es Bauträgern und Planern an der nötigen Zusatzausbildung und Sachkenntnis, um beispielsweise Schadstoffe oder Bauschäden im Bestand erkennen und zufriedenstellende Antworten auf die Probleme finden zu können."

Ähnliche Schlüsse ziehen Architects for Future als mögliche Lösungsansätze auf dem Weg zu einer signifikant höheren Sanierungsquote. Sie plädieren für mehr Aufklärung über den Wert des Gebäudebestandes und dessen klimaschutztechnische Potenziale. Und dabei haben sie nicht nur Bauherren, Bauämter und Baubeteiligte im Blick, sondern die Bevölkerung allgemein. So wünschen sich 21% der Befragten eine "Umbauordnung", mit der gesetzlich verbindliche Anforderungen für das Bauen im Bestand festgeschrieben werden.

Um die mit dem Pariser Klimaabkommen beschlossene 1,5-Grad-Celsius-Grenze einhalten zu können, muss Deutschland bis 2035 CO2-neutral werden. Eine Studie des Umweltbundesamtes bekräftigt, dass dazu auch Klimaneutralität für den gesamten Gebäudebestand bis 2035 unerlässlich ist. Ein Ziel, das für die Immobilienbranche laut Nowak sowohl aus technischer als auch ökonomischer Sicht zwar extrem anspruchsvoll wäre, grundsätzlich aber möglich ist.


Neben einer stark verbesserten Gebäudeeffizienz liege das Potenzial vor allem in der Sanierung und Revitalisierung von Bestandsbauten. Nowak: "Wenn wir aktiv an der Gestaltung einer klimaneutralen Zukunft teilhaben wollen, führt am Gebäudebestand und seiner Sanierung kein Weg vorbei. Deshalb fordern wir, dass jeder Abriss wirklich kritisch hinterfragt wird." Das Unternehmen hat zuletzt mit Projekten wie beispielsweise im Arabellapark, dem "Fritz"-Bürokomplex und dem Olympia Business Center in München gezeigt, was heute in Sachen Sanierung möglich ist.

Zur Revitalisierung des Bürokomplexes "Fritz" im Süden des Münchner Hauptbahnhofs wurde das Bestandsgebäude bis auf den Rohbau rückgebaut. Dieser stand auch im Zentrum des Marketingauftritts der Sales-Lounge: Statt wie bei einem klassischen Showroom eine Musterwohnung zu zeigen, entschied sich das Projektteam, die Wirkung des Rohbaus in Verbindung mit Architekturskizzen und einem eigens gedrehten Kurzschauspiel in Szene zu setzen.

Für das Refurbishment des Olympia Business Center, einem 41.000 qm großen Bürogewerbebaus aus den späten neunziger Jahren, hat CSMM im Auftrag des Projektentwicklers Bayern Projekt den mehrere Gebäudeteile umfassenden Komplex um moderne, notwendige und inspirierende Räume, aber auch Infrastrukturen und Funktionen ergänzt. Neu sind eine offene Lobby, viel Grün, smarte Vernetzung und digitale Serviceangebote. Statt nur eines Großmieters arbeiten künftig viele Unternehmen in dem Gebäude. Mit dem grünen Biotop und Münchens erstem gemeinschaftlich nutzbaren Mitarbeiterrestaurant mit Konferenz- und Co-Working-Angebot hat CSMM ein tradiertes, konventionelles Bürogebäude in eine neue Nutzungsphase überführt.

"Indem wir das Bauskelett mit einer neuen Fassade umhüllen und das Innenleben neu organisieren, geht der Baukörper in eine weitere, verbesserte Nutzungsphase über und bekommt ein neues Leben. So leisten wir in ökonomischer Hinsicht einen sinnvollen Beitrag zum Klimaschutz, der sich ebenso positiv auf das Image des jeweiligen Bauträgers auswirkt. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet die Bausubstanz des 20. Jahrhunderts das Fundament für eine klimaneutrale Zukunft sein könnte", so Brehme.

Investoren haben laut Umfrage Relevanz erkannt

Auch Investoren haben die Bedeutung der Revitalisierung erkannt. Laut einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) sehen 68% der Investoren im Redevelopment den besten Weg, die Emissionen im Gebäudesektor und die damit gestiegenen Baukosten zu reduzieren. Timo Brehme: „Allein die Zahlen unterstreichen die Bedeutung der Revitalisierung in ökonomischer und ökologischer Hinsicht: Durch den Erhalt der grundlegenden Gebäudestruktur lassen sich rund 40% der Kosten einsparen, in Sachen CO2-Fußabdruck schlagen die Einsparungen sogar mit 80 - 90% zu Buche. Noch nicht eingerechnet ist dabei die Reduzierung, die ein saniertes Bauwerk mit neuer Technik, Dämmung und Heizung im langfristigen Betrieb mit sich bringt."


Gerade vor dem Hintergrund des vor gut einem Jahr in Kraft getretenen Klimaschutzgesetzes müsse die Sanierungsquote von derzeit rund 1 auf mindestens 3, besser sogar 4% steigen, um die Emissionen in der Baubranche spürbar zu senken.


Im globalen Kontext haben die Vereinten Nationen im "Global Status Report for Building and Construction" bereits 2019 festgestellt, dass Klimaschutzziele und der Erhalt von Bausubstanz Hand in Hand gehen. Nicht zuletzt deshalb empfehlen sie, weniger Gebäude abzureißen. Im Fokus: die Wiederverwendung bestehender Strukturen, die aktuell in zahlreichen Prestigeprojekten eine Rolle spielt. Beispielhaft: das paneuropäische Gemeinschaftsprojekt "Build Upon 2", das in acht Pilotstädten nicht weniger als eine Renovierungs-Revolution einläuten und Strategien zur planvollen Restaurierung von Bestandsgebäuden vermitteln möchte.

Engagement auch für die Reduktion des eigenen CO2-Fußabdrucks

Seinen eigenen CO2-Fußabdruck hat das Unternehmen CSMM bereits im Frühjahr vergangenen Jahres ermittelt: rund 293 t pro Jahr. Das entspricht rund 4,9 t pro Mitarbeiter. Zur Ermittlung dieser Werte arbeitete das Unternehmen mit der Umweltschutzorganisation Wilderness International zusammen. Um die 293 t auszugleichen, will das Architekturbüro dazu beitragen, intakte Naturräume zu bewahren und Aufforstungsprojekte unterstützen.


Zur Berechnung setzt Wilderness International auf das anerkannte System der Emissionsfaktoren. Mit diesen lässt sich auf Grundlage gegebener Verbrauchswerte, wie zum Beispiel dem Stromverbrauch in Kilowattstunden, die Menge der Treibhausgase in CO2 -Äquivalenten (CO2e) herausfinden.

Dazu ermittelten alle Mitarbeiter von CSMM für die vier Standorte die Daten zu Wärme und Strom, zum Geräte-Inventar, Druck und Versand sowie Verpflegung und Veranstaltungen. Jeder einzelne brachte neben den Dienstreisen auch seine jeweiligen Arbeitswege mit ein. Wilderness International kalkulierte daraus präzise den tatsächlichen Naturverbrauch. Das Ergebnis: Auf den Komplex Mobilität entfallen mit 38% der größte Teil der Emissionen, gefolgt von Inventar und Bestand mit 30%.


CSMM-Geschäftsführer Brehme: "Wir wollen zeigen, dass Umweltschutz und Wirtschaft miteinander vereinbar sind. Nicht alle Emissionen sind vermeidbar, aber sie lassen sich kompensieren, indem man unter anderem noch intakte Naturräume bewahrt." Das ist zum Beispiel mit einer Waldpatenschaft möglich, die CSMM seit 2016 in Kooperation mit Wilderness Internationale pflegt. Im Fokus steht der Rückkauf des Regenwalds im Toba Valley an der Westküste Kanadas, einem der artenreichsten Wälder auf der Nordhalbkugel und mit einer der höchsten C02-Speicherkapazitäten weltweit.


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