26.04.2021

Herzlichkeit sichtbar machen

In der Frühstücks- und Loungezone ist das Gestaltungsprinzip des Pixels zu quadratischen Rastern aufgelöst. | Fotos: WagnerLiving

Im Augsburger Hotel Einsmehr hat die Hälfte der 24 Beschäftigten ein Handicap. Träger ist der gleichnamige Verein, der aus einer Elterninitiative für Kinder mit Down-Syndrom hervorgegangen ist. Überzeugt, dass es für "Downies" mehr geben muss als die Beschäftigung in einer Werkstatt, entwickelten die Eltern das Konzept für ein Inklusionshotel mit inklusiven Arbeitsplätzen. Die Innenarchitektur stammt von Dreimeta. Herzlichkeit sichtbar machen, lautete die Aufgabe.

Herzlichkeit, die von Herzen kommt. Damit lässt sich der Markenkern des Hotels umschreiben. Es feiert das Verschieden-Sein und bietet seinen Gästen bewusst "eins mehr", nämlich Serviceleistungen, die den Betreiber kaum etwas kosten, dem Gast aber unvergleichlichen Mehrwert bieten: Sei es das Frühstücksbuffet, das auch tagsüber befüllt ist, oder die "Küch'", die für Küchenpartys unter Freunden gebucht werden kann.

Ein Gedanke, der sich auch in der Innenarchitektur bemerkbar macht. Ziel war, das Unkonventionelle und Multidimensionale des Hauses optisch sichtbar und erlebbar zu machen, als eine Art Leinwand oder bunte Hülle, die im Hotelbetrieb mit Leben gefüllt wird. Jeder ist ein Teil des Ganzen, so der Grundgedanke. Um Teil und Ganzes als Gemeinsames sichtbar zu machen, zoomt die Innenarchitektur wie eine Kamera in die innere Struktur hinein, so die Idee. Dargestellt wird dies am Prinzip des Pixels.


"Viele unterschiedliche Pixel ergeben ein stimmiges Ganzes. Nur wenn alle ihren unterschiedlichen Beitrag einbringen, wird das Bild komplett", erklärt Innenarchitektin Andrea Kraft-Hammerschall, Mitgeschäftsführerin des ausführenden Architekturbüros Dreimeta. Die Einrichtung ist eine bunte Farb- und Materialcollage. Der bunte Farbkanon ist mutig, aber niemals laut.


Zimmer und Flure greifen das Pixelthema am deutlichsten auf: Der eigens für das Hotel entworfene Teppich zeigt einen farbigen Pixelverlauf, der sich vom Boden bis hoch an die Wände zieht. In den Zimmern löst sich das Pixelmotiv des Teppichbodens zur Stirnseite hin auf. Verschiedene quadratische Paneele folgen der Pixeloptik und prägen die übrigen Wände und maßgefertigten Einbauten aus Holz und Schichtstoff.


Für Mehrdimensionalität steht auch der "W-2020 Chair" von WagnerLiving. Das von außen nicht sichtbare Dondola-Gelenk erlaubt das markentypische "Sitzen in Bewegung": Die Kunststoffschale für Sitz und Rückenlehne geht mit der Gewichtsverlagerung des Sitzenden in jeder Richtung mit. Flexibel nutzbar ist der elegante Hocker "W-2020 Stool S", dank seiner niedrigen Höhe lässt er sich auch als Ablage oder Beistelltisch nutzen.

Die Zimmer sind unauffällig barrierefrei

Die 73 Zimmer sind barrierefrei, acht davon rollstuhlgerecht. Zwölf Zimmer sind mit einer Mini-Küche ausgestattet und können für Long-term-Aufenthalte gebucht werden. Wichtig war den Innenarchitektinnen Andrea Kraft-Hammerschall und Selina Salgueiro allerdings, die Barrierefreiheit so unauffällig und selbstverständlich wie möglich in die Räume zu integrieren. Zentrale Aspekte wie eine leichte Orientierung laufen deshalb vor allem über Farben: So sind die einzelnen Etagen durch deutlich voneinander abgesetzte Farbzonen charakterisiert: in grün, blau und rot.

In der Frühstückszone mit offener Küche und Lounge tritt das quadratische Raster des Pixels ebenfalls auf, wenn auch weniger explizit. Sichtbar wird es unter anderem in den von der Decke abgehängten Grids, in der geometrischen Steppung der Sitzbank in den Würfeln der Sitzlandschaft und sogar in der Bilderrahmencollage.


Verschiedenfarbige Stühle, Tisch- und Sitzgruppen zonieren den offenen Bereich. Trotzdem wirkt der Raum nicht kleinteilig, sondern lässt sich leicht als Ganzes erfassen. Stahl, lasierte OSB-Platten und Polster fügen sich stimmig zu einem Gesamtbild zusammen. Einen besonderen Akzent setzt der geschliffene, offen liegende Estrich: Er unterstreicht die unbefangene Unkompliziertheit des Hotels.


Wesentliche Träger des Farbkonzepts sind die Wirtshausstühle der Stuhlfamilie "W-1960" von WagnerLiving. Der markante Holzstuhl mit integrierter Dondola-Technik steht auch hier für Beweglichkeit und Flexibilität. Die Optik in Nussbaum und verschiedenen RAL-Farben betont das Charaktervolle des Hauses.

In der Bestuhlung sofort ins Auge fällt der "W-1960 Big" in Gelb mit neu gedachter, niedriger Rückenlehne. Um die Lehne anschmiegsamer zu gestalten, wurden Streben ergänzt, die den Rücken des Sitzenden förmlich umschließen. Tuchfühlung und den Abbau von Berührungsängsten bewirkt die wohnliche "W-1960 Bench" als Ort des gemeinschaftlichen Sitzen und Beisammenseins.


Mit der großzügigen und freundlichen Lounge- und Meetingzone richtet sich das Hotel auch an Businessreisende, Co-Worker oder Schüler und Studenten, die einen Ort zum temporären Arbeiten suchen. Teil der Lounge sind die "W-Lounge High", mehrere Sitzgruppen aus dem "W-Cube 5" und ein mit "W-Cube 6 stool H"-Hochsitzern gesäumter Teamtisch.

Frühstückszone mit W-1960, W-1960 Bench und W-1969 Big.
Teamtisch mit Hockern der Serie
Das Pixelraster löst sich zur Stirnseite des Hotelzimmers hin auf.
Der elegante

Gemäß dem Motto "Das Wichtigste ist das, was man nicht sieht", zeigt sich die Achtsamkeit für das Besondere auch im Umgang mit der Natur. Der Hotelbetrieb soll so wenig ökologische Folgekosten wie möglich produzieren. Deshalb gibt es eine eigene Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Gebäudes, werden regionale Lebensmitteln in Bio-Qualität verarbeitet, ökologische Putzmitteln verwendet und Müll konsequent vermieden.


Situiert ist das Hotel im neuen Freizeitareal des Augsburger Westhouse, einem Standort, aus dem sich viele Synergien ergeben. So stehen die öffentlichen Bereiche des Hotels für Businessreisende, Firmen-Meetings oder Coworking offen.


Betrieben wird das Hotel als gemeinnnützige GmbH, die Menschen mit Behinderung die Möglichkeit gibt, sich auf dem ersten Arbeitsmarkt zu beweisen und ihre Fähigkeiten gleichberechtigt im Team einzubringen. "Wir haben die Jugendlichen mit Down-Syndrom als ausgesprochen offen und herzlich erlebt", sagt Innenarchitektin Kraft-Hammerschall, "eine großartige Voraussetzung für die Arbeit als Gastgeber."


www.dreimeta.com | www.wagner-living.com | www.hotel-einsmehr.de

In der Lounge laden mehrere Sitzgruppen aus Sitzsesseln des Modells
Die organisch geformte Sitzschale des W-Cube 5 gibt ein geborgenes Sitzgefühl.
Die W-Lounge high lädt ein, sich einfach mal zurückzulehnen.
Teamtisch mit W-Cube Stool 6 High